Die Macht der Gewohnheit

Im Rahmen eines Lehrercoachings stellt meine Kundin, Lehrerin im Vorbereitungsdienst, fest, dass sie im Laufe des ersten Schulhalbjahres an Gewicht zugelegt hat. Unsere Bestandsaufnahme ergibt, dass sie im Laufe eines Schultages und zu Hause während der Unterrichtsvorbereitung erhebliche Mengen „Nervennahrung“ (= Süßigkeiten) zu sich nimmt. Ihr Vorsatz, komplett auf Süßes zu verzichten, scheitert schon in der ersten Woche.

„Von leicht zu schwer“-Liste

Wir erstellen gemeinsam eine „von leicht zu schwer“- Liste mit Situationen, in denen ihr der Verzicht auf Süßigkeiten möglich ist. Es stellt sich heraus, dass es bis Schulschluss einige gut zu bewältigende Situationen gibt, in denen sie, statt Süßes zu sich zu nehmen, entweder gut verzichten kann bzw. eine andere Routine einübt. Es fällt ihr leicht, bereits vor der Schule ein zuckerfreies Frühstück einzunehmen. Im Laufe des Vormittags ersetzt sie ihren süßen Pausensnack durch ein zuckerfreies Getränk und sucht Kontakt zu ihrem Team für einen kurzen kollegialen Austausch.

Gewohnheiten ersetzen

In unserem nächsten Termin berichtet sie, dass es ihr nach drei Wochen gelungen ist, in zwei weiteren Situationen am Nachmittag den Konsum von Süßigkeiten durch eine Bewegungs- bzw. Lesepause zu ersetzen. Hilfreich war vor allem ihre Erkenntnis, dass sie Rückhalt im Team erfahren hat, nachdem es ihr gelungen ist, ihre Einzelkämpfer-Haltung aufzugeben. Nur am Abend, während der Vorbereitung des Unterrichts, vor allem für eine schwierige Klasse, gibt sie ihrer Gewohnheit noch nach.

Viel hilft viel?

Wir beleuchten den Ablauf ihrer Vorbereitungen sowie die damit verbundenen Glaubenssätze und Gedanken. Es stellt sich heraus, dass sie während der Unterrichtsvorbereitung nach der Devise „viel hilft viel“ verfährt und keine Arbeitspausen einplant. In Bezug auf die schwierige achte Klasse, die sie zu unterrichten hat, taucht immer wieder der Gedanke auf, dass sie sich einigen Schülern gegenüber hilflos fühlt. In diesen Momenten wirkt Schokolade wie ein Beruhigungsmedikament.

Wir entwickeln einen Arbeitsplan, der feste Pausen und Freizeitaktivitäten vorsieht. Als Hausaufgabe für den letzten Termin in sechs Wochen verabreden wir, dass sie am Ende des Tages jeweils drei Situationen in der achten Klasse notiert, in denen sie mit ihrem Unterricht zufrieden ist. Diese Aufzeichnungen sind die Grundlage unseres dritten Gesprächs, in dem wir einen zielführenden Umgang mit Störungen im Unterricht erarbeiten.